Am 6. und 7. November 2021 habe ich mich mit einer Gruppe Landschaftsmedizinerinnen des Juraparks Aargau (Schweiz) mit der Brennnessel und ihren vielen Aspekten intensiv beschäftigt. Bei diesem Seminar haben wir außer der Faser mit Spinnen, Nadelbinden und Papierschöpfen auch noch Chlorophyll hergestellt, einen Wurzelessig zubereitet, ein Pesto zubereitet, Samensatz gemörsert, geräuchert, Geschichten gehört und uns über vieles ausgetauscht.
Yolanda hatte das Organisatorische übernommen, mich vom Bahnhof abgeholt und so kam ich am Freitagabend auf die Wildfarm von Carmen. Ein wunderschöner Ort und eine wundervolle Gastgeberin. Carmen leitet eine Wildfarm mit Hirschen, hat einen Hofladen und gibt selbst Seminare. Kochen ist wohl eine ihrer Leidenschaften und davon durften wir sehr profitieren. Abends haben wir drei noch alles im ehemaligen Kuhstall aufgebaut. Mit den für den Winter dort untergebrachten Pflanzen wirkte dieser Raum nun beinahe wie eine Orangerie und war wirklich gemütlich. Den Brennnesselhefezopf hat Carmen noch nachts gebacken, als ich schon im ausgebauten Bauwagen mit Kachelofen geschlafen habe.
Morgens nach dem Frühstück mit der ganzen Familie hatte ich noch Zeit, nach den Brennnesseln auf dem Berg zu schauen. Der Nebel tauchte alles in weiße Schwaden und die Brennnesseln wuchsen üppig an verschiedenen Stellen, da war ich zuversichtlich, dass alles klappen wird.
Dann trudelten die ersten Teilnehmerinnen ein, allesamt erfahrene Kräuterfrauen, Naturcoaches oder Landwirtinnen, die selbst seit Jahren Seminare leiten oder Kräuterprodukte herstellen. Meine Seminare leite ich immer sehr offen, zumal ich schon weiß, dass dadurch auch viel Neues entstehen kann und auch ich immer wieder etwas lerne.
Es ging dann bald los zum Brennnesselernten: Stängel, Wurzeln, Blätter, Samen. Wir konnten alles finden und brauchen. Am Tipi des Pfrunder-Hofes wächst ein schöner Holunderbusch bei den Brennnesseln, dort haben wir Stängel geerntet und die erste Kordel aus den Fasern gedreht. Zurück auf dem Hof, die Sonne schien nun schon sehr warm, haben wir erst mal die leckeren mitgebrachten Speisen gegessen. Am Nachmittag ging es dann weiter mit dem Fasern abziehen und Fasern aufbereiten mit verschiedenen Techniken. Ein Wunsch war, auch einen Traumfänger mit Brennnesselfaser herzustellen. Dafür hatte ich meine Keramikperlen aus dem Holzofen und Federn mitgebracht. Wer schon eine lange Kordel hatte, konnte diese für den Traumfänger nehmen, ansonsten haben wir meine mitgebrachten Brennnesselgarne genommen, um diese Technik kennenzulernen. Die Papierpulpe haben wir abends dann auch noch angesetzt und dafür vorher alte und neue Brennnesselfasern klein geschnitten oder durch Kardieren weiter aufgeschlossen.
Das leckere Brennnessel-Reis- Abendessen hat Carmen draußen auf dem Feuer gekocht, Pesto, Samensalz und Gomasio mit Brennnessel gab es dazu. Wie lecker und stärkend! Danach haben wir im Hochleistungsmixer in der Küche von Carmen noch die Fasern wirklich schön fein zerkleinert. Dann sind wir alle ziemlich müde ins Bett, teils im Bauwagen, im Haus, im mitgebrachtem Wohn-Lastwagen und manche sind auch nach Hause gefahren.
Vor dem Frühstück um acht, konnte ich noch einmal kurz die schöne Landschaft anschauen, mich stärken, frische Luft atmen, denn für Sonntag stand noch ein volles Programm an. Nadelbinden klappte besonders schnell. Maya, die zu Beginn meinte, Handarbeit wäre nicht so ihr Ding und sie sei eher grobmotorisch, fiel mit der feinsten Arbeit auf. Vielleicht auch die Nachwirkung des Brennnesselrituals vom Samstag, wo wir das Dritte Auge mit der Brennnessel aktiviert hatten? Nebenbei wurde dann noch Papier geschöpft.
Mittags hat uns Carmen ein feines Sonntagsessen zubereitet mit Hirschbraten und Brennnesselspätzle, Nachtisch Eis mit eigens eingekochten Birnen. Lecker! Schön wie Carmen uns auch vor dem Essen unsere Geschmackssinne bewusst gemacht hat, damit wir wirklich genießen konnten. In ihrem Hofladen, gibt es übrigens feinste Delikatessen zu kaufen. Während Carmen für uns gekocht hat, haben wir den Brennnesselwurzelessig und das Chlorophyll hergestellt. Wir hatten viele frische Brennnesseln zerkleinert, gemixt und dann in einem großen Topf den durch ein Tuch geseihten Brennnesselfrischpresssaft erhitzt. Bei etwa 70 Grad und nach einer halben Stunde schwamm dann das Chlorophyll in der Flüssigkeit. Man muss aufpassen, beim Topf bleiben, damit es nicht zu heiß wird. Alchemie! Die Ausbeute war ziemlich groß, wir haben die feine weiche Substanz angefühlt, probiert und gemischt mit etwas Olivenöl auf der Haut verrieben. Es ist erstaunlich, wie schnell es dann in die Haut einzieht, nach meiner Erfahrung jedoch mit Hanföl wesentlich schneller. Wir liefen deshalb schon eine Weile ein bisschen grün herum.
Nach dem Essen hatten wir noch nicht so schnell Lust weiterzumachen, es war so schön in der Runde am Tisch sich zu unterhalten. Doch wir wollten ja noch spinnen! Eine Kreuzspindel aus meinem mitgebrachten Bausatz wurde zusammengesteckt und dann konnte es losgehen. Auch das ging erstaunlich schnell und gut. Während des Spinnens konnte ich noch zwei Brennnesselgeschichten erzählen. Die Fasern waren schnell versponnen. Draußen ist das Papier in der Sonne auch gut getrocknet, sodass wir alles fertig hatten. Es blieb dann noch Zeit für eine kleine Abschlussrunde, wo mein Räucherbuschen mit Brennnessel angezündet und weitergegeben wurde. Ich finde es schön, jeden noch mal wahrzunehmen und zu hören, ob meine Art das Seminar abzuhalten auch gut ankommt und bei wem die Brennnessel vielleicht doch sehr stark gewirkt hat und ich mehr vorwarnen sollte. Das Brennen, Kribbeln, die Aktivierung auf vielen Ebenen, kann Menschen schon etwas herausfordern, doch mich beruhigen die Rückmeldungen, dass es bisher durchweg als positiv empfunden wird. Wie schön, dass die Brennnessel wieder so viel Beachtung und Wertschätzung bekommen hat und mit diesen Teilnehmerinnen sicher auch weiter große Verbreitung findet.
Danke Amary Kyburz von Wildwux für viele der Fotos, die hier abgebildet sind.