... oder was man von einer Maus lernen kann.
Ich hatte vor diesem Erlebnis noch gedacht, dass ich meine Ängste sehr gut im Griff habe, dann geschah Folgendes:
Schon ein paar Wochen lang, hatte ich in der Küchendecke fast jeden Abend etwas rascheln gehört, eine Maus! Es hat mich nicht weiter gestört, weil ich schon einmal eine Maus im Haus hatte, die ich nach einer Weile in einer Lebendfalle nach draußen bringen konnte. Ich dachte, wenn sie wie damals anfängt meine Kochtöpfe als Toilette zu benutzen, dann werde ich aktiv.
Dann spürte ich eines Nachts im Bett etwas an meiner Wange vorbei huschen. Schnell aus dem Bett gesprungen, Licht an und ja, da war diese kleine Maus im Bett und flitzte davon. Die halbe Nacht, hatte ich Herzklopfen, war angespannt, hörte jedes Geräusch. Es war klar, die Maus muss weg! Mäuse Raus! Ich stellte zunächst Gläser mit Speiseöl und Brot in den Flur, weil ich früher einmal gesehen habe, wie aus versehen eine Maus in ein offenes Glas mit Öl gegangen war und nicht mehr herauskam, ich dachte, eine relativ nette Art Mäuse zu fangen. Die zweite Nacht, hab ich wieder kaum geschlafen, es raschelte verdächtig nah an meinem Bett. Und ... nichts passierte, die Maus war zu schlau, sie erkannte die Falle, schaffte es sogar, bei einem kleineren Glas, das Brot heraus zu angeln. Dann folgten ausgefeiltere Konstruktionen. Mir fiel sogar noch der Spruch ein: "Not macht erfinderisch." Ich nutze also meine Angstenergie kreativ, so soll es sein, dachte ich. Zum Beispiel: die Maus sollte in die Behälter krabbeln und diese sollten sich dann durch das Gewicht der Maus aufrichten, sodass sie nicht mehr herauskam. Ein Karton kippte sogar, doch so, dass sie trotzdem rauskommen konnte. Sie schaffte es wieder mehrfach, den Köder zu holen, ohne gefangen zu werden und ich schlief schon einige Nächte sehr unruhig und wenig. Ich hatte sie einmal dabei entdeckt, wie sie gerade in das Glas gegangen war, wollte noch einen Schubser geben, doch die Maus sprang im gleichen Augenblick raus, über meine Hand! Da war ich schon etwas panisch und wollte nach ihr schlagen. Ich war erschrocken über mich selbst!
Moment mal, dachte ich da, warum habe ich eigentlich Angst, sogar Panik? Bisher habe ich auch eher Energie vergeudet mit meinen Aktionen. Ist da doch was Unbewusstes? Irgendwas stimmt da nicht bei mir, die Maus verhält sich ganz normal, sie will nur überleben.
Dann erinnerte mich an einen Freund, der eine Anleitung entwickelt hat, um Schnecken gewaltfrei aus dem Garten zu bekommen, Schnecken Ade, hieß diese Anleitung sehr freundlich. Das kann gelingen, wenn man ihnen auch die Chance zum Leben lässt, Futterplätze anbietet. Gewaltfreiheit fängt im Kleinen an. Vielleicht braucht die Maus einfach gerade den Unterschlupf, draußen ist es kalt und eigentlich habe ich ja genug Platz. Vielleicht kann ich der Maus irgendwie klar machen, dass sie nicht in mein Bett krabbelt und auch nicht meine Vorräte essen soll.
Nun lege ich der Maus jeden Abend etwas zu fressen hin. Rosinen, Brot, Haferflocken, Nüsse. Sie ist gern zwischen den Brennnesselstängeln, das macht sie mir schon mal sympathisch. Dann habe ich ihr ein Körbchen mit Fasern als Nest hingestellt, das hat sie jedoch noch nicht angenommen. Ich habe ihr dann erklärt, dass ich ihr nichts Böses will, ich aber Angst habe, wenn sie in meinem Bett rumkrabbelt. Wer weiß, so eine schlaue Maus, was die alles versteht.
Und nun wohnen wir seit ein paar Wochen in einem Haus, ganz friedlich, ich freue mich sogar, wenn ich sie höre und wenn das Futter verschwunden ist. Meine Angst vor ihr ist verschwunden. Ich bin mir auch sicher, im Frühjahr will sie auch hinaus, andere Mäuse treffen und sucht sich dann eine andere Bleibe.
Sich in andere hineinversetzen und dann zu schauen, was kann für beide akzeptabel sein, so dass jeder gut leben kann, so stelle ich mir Frieden vor und das kann man immer und überall praktizieren.