Vor dem Seminar hatte ich noch Sorge, ob ich rechtzeitig wieder fit genug bin, um das Wochenende in der Schweiz durchzustehen. Mit Kräuterbädern, Tee und viel Ruhe vorher konnte ich mich dann am Freitag auf dem Weg machen. Erst ging es zu Nadja vom Feuervogel an den Bodensee, wo wir alles in ihr Auto packten. Als wir dann losfahren wollten, sahen wir einen riesigen, wundervollen Regenbogen. Da war klar, alles wird gut. Als wir ankamen im Storchen-Haus bei Steg, wurde es schon dunkel und wir waren damit beschäftigt erst mal den Kachelofen anzuzünden. Das Haus ist über 250 Jahre alt, überall Holz. Das Leben, das darin stattgefunden hatte, war spürbar. Warm wurde es abends noch nicht so richtig, aber mit einem warmen Schlafsack, bei offenem Fenster konnte ich den Bach plätschern hören und bin bald eingeschlafen.
Am nächsten Morgen kam dann noch Chantal, um uns zu unterstützen. Nadja und Chantal haben auch gleich losgelegt das Mittagessen vorzubereiten. Ich habe nach großen Brennnesseln gesucht, denn wir brauchen viele Stängel. Zuerst habe ich fast gar nichts gefunden und ich bin etwas nervös geworden. In der Schweiz ist alles sehr ordentlich und kurz vorher wurde überall gemäht. Nur hinterm Holzstapel und unten, etwas schwer zugänglich am Wasserfall, gab es passende Stängel. Dann mussten wir los, um die Teilnehmer und Teilnehmerinnen abzuholen. Treffpunkt war auf einem Parkplatz, von dort sollte es zu Fuß weitergehen und unterwegs wollten wir schon Brennnesseln sammeln. Welche Freude, als ich sah, dass am Parkplatz viele richtig gute Faserbrennnesseln waren. So konnten wir direkt loslegen und jeder ein kleines Bündel mitnehmen. Unterwegs gab es dann auch kleinere Brennnesseln, wo wir der Pflanze mit ihren wertvollen Brennhaaren näher kommen konnten. Es gab auch die erste Geschichte dazu: Wie die Brennnesseln die Menschen rettete. Darin nimmt die Brennnessel den Menschen die Angst und macht sie stark.
Nach einer halben Stunde Fußmarsch, das Gepäck hatte Nadja mit dem Auto hochgefahren, kamen wir in diese anderen Welt, weg von den ganzen Ablenkungen der Zivilisation, an. Da dann sogar die Sonne etwas heraus kam, gab es das Mittagessen draußen: Brennnesselsuppe mit Rahm und leckerem Brot. Danach war Zeit, sich gegenseitig ein wenig vorzustellen, um eine Ahnung zu bekommen, was für tolle Persönlichkeiten zu uns gekommen waren, um gemeinsam ein schönes Wochenende zu verbringen und gleichzeitig alte Handwerkstechniken zu erlernen. Ich muss immer aufpassen, dass wir unser Programm auch schaffen und nicht bei interessanten Gesprächen vergessen, wozu wir eigentlich gekommen waren. Also, Fasern abziehen und dann Nadelbinden standen für heute noch an. Der Raum war nun auch richtig schön warm, sodass wir für die Arbeit draußen, das sogenannte Zvieri, den Nachmittagsimbiss, vor der Tür aufgestellt hatten, um alle herauszulocken. Auch die Teilnehmer und Teilnehmerinnen hatten etwas mitgebracht und mit dem warmen Tee und Kaffee ging es uns so richtig gut. Die Geschichte von der Jungfrau Marleen konnte ich draußen erzählen. Je öfter ich sie erzähle, desto leichter fällt es mir, da ich selbst den Sinn immer besser verinnerliche. In dem Märchen hilft die Brennnessel der Prinzessin zwei mal in großer Not. Weil die Finger mit der Zeit draußen doch kalt wurden, ging es zum Nadelbinden dann wieder in die Stube.
Abends gab es ein Brennesselrisotto mit Dips, und Salat und wir waren satt und zufrieden. Zur Überraschung gab es danach noch einen ganz besonderen Film. Nadja und ich haben die Dokumentation von Dylan Howitt "The nettle dress" mit der Geschichte von Allan Brown für die Gruppe zeigen dürfen. Nadja, hat es ermöglicht, dass es technisch mit dem Beamer dort ging und wir konnten diesen magischen Film sehen. Handwerk als Heilmittel, Handwerk mit ganz viel Liebe und Leidenschaft, Handwerk mit Bestand. So ein Kleid, das über 7 Jahre komplett in Handarbeit hergestellt wurde, trägt eine Geschichte in sich, trägt ganz viel Persönlichkeit in sich, das wurde deutlich. Der Film ist für Kinovorführungen gemacht und die schönen Bilder insbesondere auch von den Wäldern und der Brennnessel möchte ich auf jeden Fall noch einmal in einem Kino sehen. Nadja hat noch eine Klangschalenmeditation für alle gemacht und so konnten wir super entspannt einschlafen. Das Haus ist sehr einfach mit seinen Mehrbettzimmern und dem Gemeinschaftsbad, doch es fehlte uns nichts.
Am nächsten Morgen wurde ich schon mit fröhlichem Lachen geweckt, wie schön! Da hab ich mich gleich aufs weiter machen gefreut. Manche waren auch schon wieder mit Nadelbinden beschäftigt. Nach dem Frühstück ging es erst mal wieder raus, Fasern für das Spinnen abziehen und aufbereiten. Dafür hatten Nadja und ich passende Stängel mitgebracht. Passend dazu die Geschichte der sechs Schwäne, wo Brennnesselhemden verwunschene Prinzen zurück verwandeln. Auch für das Papier schöpfen, bringe ich meine aufbereiteten Fasern von alten Brennnesselschuhen mit. Ansonsten wäre an einem Wochenende nicht so viel möglich. Das Wasser vom Papierschöpfen war warm und auch beim Reiben der Fasern, wurden die Finger warm, doch die Füße brauchten doch irgendwann die warme Stube. Zwischendrin konnte sich, wer wollte, beim Holzhacken aufwärmen, denn der Holzvorrat im Haus musste wieder aufgefüllt werden.
Mittags gab es noch einmal ein richtig großes Buffet mit Deftigem und Süßem und wir wollten gar nicht aufhören gemütlich zu essen und reden. Doch der Abschluss mit dem Spinnen sollte noch geschafft werden. Und ja, mit dem Hinweis zunächst ganz langsam und achtsam zu arbeiten, hat es auch wieder bei jedem gut geklappt. Dazu passend gab es die Geschichte der drei Spinnerinnen, wo ein Mädchen gar nicht spinnen mag und trotzdem durch die Hilfe von drei Spinnerinnen ihren Prinzen bekommt.
Das Papier war auf dem Kachelofen getrocknet und nun musste wir auch schon alles zusammen packen. Denn bevor es dunkel werden würde, sollten die Brennnesselspinner und -Spinnerinnen wieder im Tal ankommen. Den Rückweg sollten sie mit dem Rucksack zu Fuß antreten. Zum Abschluss haben wir unsere Werke noch ausgestellt, fotografiert und jeder ein paar Worte zum Abschied sagen können. Wie schön, dass es allen so gut gefallen hat und viele dabei sind, die das erlernte auch weitertragen werden. Wir drei haben dann noch alles zusammen gepackt, gefegt und geputzt. Denn das Haus musste dann noch so übergeben werden, wie wir es vorgefunden hatten. Die Hausverwalterin war dann auch zufrieden und sehr interessiert an unserem Brennnesselprojekt.
Nadja wird in Zukunft weitere Brennnesselkurse in der Schweiz organisieren. Außerdem wird es im nächsten Jahr in Winterthur und Kreuzlingen Brennnesselwochen geben (Brennpunkt Brennnessel). Wochen, in denen die Brennnessel in vielerlei Art vorgestellt wird. Ich möchte mich im nächsten Jahr mehr bei mir in der Nähe engagieren und auch weiteren kreativen Natur-Projekten widmen. Ich glaube mittlerweile gibt es einige Menschen, die die Herstellung von Brennnesselfasern zeigen können. Das wünsche ich mir zumindest, zumal es toll ist, wenn das Brennnesselnetzwerk immer größer wird, und uns über die Handarbeit auch mit dem Herzen verbindet. So empfinde ich es zumindest.
Danke Nadja Hillgruber vom Feuervogel für einige der Fotos in diesem Blog. Und zwei Fotos von Christina, danke.